Falkenhütte in Sicht

September 30, 2020

Es war der 27. September 2020 und es sollte eine Herbstwanderung von der Eng zur Falkenhütte im Karwendel werden.

In München und im Voralpenland hatte es 2 Tage lang geregnet und es war auf einmal sehr kalt geworden. Am Sonntag zuvor waren wir noch auf dem Staffelsee beim Standup-Paddeling und sind geschwommen!

Wir haben mit überzuckerten Gipfeln gerechnet…

Aber das war immer noch weit entfernt von der Realität. Es war WINTER, schon auf 1200 m über N.N. Der Wanderparkplatz war vom Schneeräumer freigeschaufelt und als wir aus dem Auto stiegen, wären wir fast in der Waagerechten gelandet, Glatteis im September.

Aber auch eine Winterwanderung hat ihren Reiz. Ausgerüstet waren wir wie immer gut, Goretex-Schuhe, Grödeln, wenn es ganz schlimm geworden wäre, warme Jacke, Windbreaker, Mütze, Handschuhe.

Und so machten wir uns auf den Weg durch eine surreale Landschaft mit bis zu einem halben Meter Schnee und noch voll begrünten Bäumen und Sträuchern. Das Wetter war mega… strahlend blauer Himmel, nur ein paar fluffige Wölkchen, die Sonne angenehm warm.

Wie gut ist es, wenn die Umstände nicht als Begrenzung wahrgenommen werden.

Nach 2 Stunden kamen wir zu einem Sattel, von dem aus wir in der Ferne die Falkenhütte sahen. Ein Schild gab die Zeit bis dorthin mit einer weiteren Stunde an. Normalerweise kein Ding, aber puh… der Weg am Rande einer Felswand lag durch die schon tief stehende Sonne komplett im Schatten und hier oben pfiff der Wind, so dass die Spuren von ein paar wenigen Vorreitern bereits wieder verblasen waren. 

Es kam der Gedanke nach Umkehren auf… aber wir wollten doch die Umstände nicht als Begrenzung wahrnehmen.

Wir begannen eine neue Spur anzulegen. Eine Stunde Gehzeit im Normalfall kann schnell 1 1/2 oder 2 Stunden durch kniehohen Schnee werden. Der eiskalte Wind im Schatten der senkrecht aufragenden Gipfel kroch durch jene Kleidungsstücke, die dann doch noch nicht hundertprozentig wintertauglich waren… brrrr.

Nach 10 Minuten und um 1 Uhr Mittag erneute Beratschlagung… wir wären um frühestens 17.00 wieder hier an dieser Stelle und um 18.30 im Tal… also Abbruch… wieder mal schweren Herzens, aber vernünftig.

Wir kehrten für eine kurze Rast und ein Fotoshooting zum Sattel zurück, stiegen in der hier warmen Nachmittagssonne ab und gönnten uns in der Engalm im Tal unsere wohlverdiente Jause.

Alles richtig gemacht oder Ziel nicht erreicht?  Diese Frage stelle ich mir immer wieder in solchen Situationen. Wäre es falscher Ehrgeiz gewesen oder sollte man seine Komfortzone auch hier verlassen? 

Dein Gipfelcoach